über mein gewissen
die alte frau stand vor mir, lächelte beschämt und fragte, ob ich ihr nicht ein wenig geld hätte, damit sie sich eine warme ovo leisten könne. ich stand in der grossen halle des zürcher hauptbahnhofes, niki de saint phalles engel über mir, und antwortete reflexartig mit nein. weil man an diesem ort regelmässig nach geld gefragt wird, wenn auch nicht von alten damen. ich ging weiter und erledigte meine einkäufe im shopville, begleitet von einem schlechten gewissen. denn was sollte eine alte frau mit ein paar franken denn anderes machen als sich tatsächlich eine warme ovo in einem café zu leisten? fremde menschen auf der strasse nach geld zu bitten braucht überwindung, und ich weiss ja nicht, wie klein ihre rente ist, oder ob ihr alter diese regelmässig versäuft.
auf dem rückweg zur tramstation, wieder die grosse halle durchquerend, sah ich sie erneut und beobachtete aus einigen metern entfernung, wie sie einen geschäftsmann ansprach. dieser schüttelte nur den kopf und hetzte los richtung gleise. ich ging weiter und sagte mir, dass es ganz sicher gutherzige menschen gäbe, denn es war heiss, meine taschen schwer, und ich wollte nach hause. als ich dann aber an der haltestelle stand und mein tram einfuhr, machte ich kehrt, zurück zum bahnhof, in die grosse halle, auf die suche nach der frau, und holte vorsorglich schon einmal 5 franken aus meinem portemonnaie.
ich entdeckte sie vor einem grossen kiosk und sah, wie sie papier in einen abfalleimer warf. papier? abfalleimer? aus einigen metern distanz beobachtete ich, wie sie eine junge frau ansprach und diese ihr ein paar franken gab. die alte frau lief schnurstraks zurück zum kiosk, erschien kurz darauf mit zwei lotterielosen, legte sie auf die tischplatte, die man zum ausfüllen von lotto- und tottoscheinen benützt und rubbelte auf beiden losen hastig ein feld frei. das glück war ihr nicht hold, sie warf die lose wieder in den papierkorb und blickte sich um, bereit, erneut auf jemanden zuzusteuern.
aber nicht mit mir. ich hatte mich eine halbe stunde lang für meine erste reaktion geschämt und musste nun meiner empörung über ihr verhalten luft machen. von einem drogenabhängigen oder einem alkoholiker erwarte ich nicht, dass er sich von dem erbettelten geld wirklich «öpis z'trinke oder z'ässe» besorgen möchte, dass mich eine kleine alte zerbrechliche frau, die mich mit ihrem ostschweizer dialekt ausserdem an meine verstorbene grossmutter erinnerte, so schamlos anlügt, war jedoch zuviel.
ich ging auf die frau zu und sprach sie mit einem satz an, von dem ich bis anhin hoffte, ihn nie in meinem leben auszusprechen: «finden sie eigentlich recht was sie da machen?» weiter kam ich nicht, denn die alte schaute kurz erschrocken zu mir hoch, drehte sich dann aber blitzartig um und verschwand um die ecke. und ich stand da und war mir immer noch nicht ganz im klaren, ob sich das mit dem schlechten gewissen jetzt eigentlich erledigt hatte oder nicht.
auf dem rückweg zur tramstation, wieder die grosse halle durchquerend, sah ich sie erneut und beobachtete aus einigen metern entfernung, wie sie einen geschäftsmann ansprach. dieser schüttelte nur den kopf und hetzte los richtung gleise. ich ging weiter und sagte mir, dass es ganz sicher gutherzige menschen gäbe, denn es war heiss, meine taschen schwer, und ich wollte nach hause. als ich dann aber an der haltestelle stand und mein tram einfuhr, machte ich kehrt, zurück zum bahnhof, in die grosse halle, auf die suche nach der frau, und holte vorsorglich schon einmal 5 franken aus meinem portemonnaie.
ich entdeckte sie vor einem grossen kiosk und sah, wie sie papier in einen abfalleimer warf. papier? abfalleimer? aus einigen metern distanz beobachtete ich, wie sie eine junge frau ansprach und diese ihr ein paar franken gab. die alte frau lief schnurstraks zurück zum kiosk, erschien kurz darauf mit zwei lotterielosen, legte sie auf die tischplatte, die man zum ausfüllen von lotto- und tottoscheinen benützt und rubbelte auf beiden losen hastig ein feld frei. das glück war ihr nicht hold, sie warf die lose wieder in den papierkorb und blickte sich um, bereit, erneut auf jemanden zuzusteuern.
aber nicht mit mir. ich hatte mich eine halbe stunde lang für meine erste reaktion geschämt und musste nun meiner empörung über ihr verhalten luft machen. von einem drogenabhängigen oder einem alkoholiker erwarte ich nicht, dass er sich von dem erbettelten geld wirklich «öpis z'trinke oder z'ässe» besorgen möchte, dass mich eine kleine alte zerbrechliche frau, die mich mit ihrem ostschweizer dialekt ausserdem an meine verstorbene grossmutter erinnerte, so schamlos anlügt, war jedoch zuviel.
ich ging auf die frau zu und sprach sie mit einem satz an, von dem ich bis anhin hoffte, ihn nie in meinem leben auszusprechen: «finden sie eigentlich recht was sie da machen?» weiter kam ich nicht, denn die alte schaute kurz erschrocken zu mir hoch, drehte sich dann aber blitzartig um und verschwand um die ecke. und ich stand da und war mir immer noch nicht ganz im klaren, ob sich das mit dem schlechten gewissen jetzt eigentlich erledigt hatte oder nicht.
brigitte - 30. Jun, 21:47
neben dem eigentlichen thema vorbei,
auch meine grosseltern kamen alle aus der bodenseeregion und manchmal habe ich heute den eindruck, wenn ich so richtig grossmami- oder grosspapi-ähnliche menschen treffe, dann sprechen die auch immer mit ostschweizer dialekt...?
gibt ein heimeliges, manchmal etwas melancholisches, aber immer schönes gefühl voller warmen, schönen und lieben erinnerungen...